Referat Elke Krasny

Avantgarde exklusiv. Avantgarde inklusiv. Orientierungen in den Imaginationsgehäusen

Die Überschreitung einer Grenze setzt deren reale, fiktive, imaginierte oder zumindest empfundene Existenz voraus. Die diffusen und feinen Grenzziehungen zwischen dem Realen und dem Symbolischen, dem Ästhetischen und dem Alltagsgewöhnlichen, dem Sozialen und dem Politischen, dem Technoiden und Natürlichen, suchten Avantgardebewegungen als Wirkungsbewegung im Selbstanspruch und in der Wirkungsstrategie zu bearbeiten, radikal in Frage zu stellen, in andere Richtungen zu überschreiten … vielleicht auch hinter sich zurück zu lassen? Der Vortrag stellt die Frage nach der Dynamik von Inklusionen und Exklusionen in den Thematiken von Avantgardeproduktion und dem Fehlen einer kritischen Ideengeschichte in der Avantgarderezeption.

Welche Vorstellungen von Ordnungen evozierten und begleiteten die Produktionslogiken von Avantgarde, welche Vorstellungen von Geschlechterkonstruktionen, Ordnungsmacht, Raumvorstellung und Kritik an Hegemonialität? “Mind Expander” oder “Gelbes Herz” oder “OASE Nr. 7” von Haus-Rucker-Co oder Hans Holleins “Mobile Office” oder Valie Exports “Tapp- und Tastkino” werden als Gebilde, als Gehäuse, auf ihre Inklusivität und Exklusivität befragt, auf die ihnen innewohnenden Geschlechterkonstruktionen und Geschlechterbilder und auf die Fragen von Ökologie, Umwelt und Natur. Radikal geht es um die Frage der Einschlußlogiken in die Figur der hier gedachten und gebauten Erweiterungen und der Raumdenkfigur Erweiterbarkeit: “Expansionen”, den “Plug ins”, den “Blasen”, dem “Alles ist Architektur”

Welche Vorstellungen von Geschlechterordnungen, welche Vorstellungen von Raumordnungen, welche Vorstellungen von Relationen zwischen Mensch und Natur wohnen in den “Erweiterungen” und sind von diesen aus weiter zu denken? Die theoretische Positionen, mit denen die Gehäuse und ihre Orientierungen, die Erweiterungen und ihre möglichen Interpretationen gelesen werden, sind die von Judith Butler zur Fragestellung der Performativität und die von Felix Guattari in Chaosmosis: An Ethicoaesthetic Paradigm.
Aus dieser heutigen Re-Lektüre der historischen Relationen, Manifestationen und Konstellationen wird der Versuch einer ideengeschichtlichen Navigation unternommen, die den Spuren der imaginativen Weiterschreibung der gezeigten Positionen in der künstlerischen, performativen und architektonischen Produktion verfolgt, und die diagnostizierte Leerstelle kritischer Theoriebildung zu diesen Produktionen der Avantgarde in der Wissenschaftsgeschichte, Architektur- und Ideengeschichte als zu hinterfragende Grenze der Rezeption extrapoliert.

Elke Krasny, Mag. Kulturtheoretikerin, Ausstellungsmacherin und Autorin. Lehrt an der Akademie der bildenden Künste Wien in den Bereichen Kunst- und Kulturpädagogik, Didaktik, Raum und Umwelt sowie Kunst und Öffentlichkeit. 2006 Gastprofessur Universität Bremen, 2008 Lehrbeauftragte Universität Salzburg. Zahlreiche Ausstellungen und Publikationen zu Architektur, Kulturgeschichte und Gegenwartskunst, partizipatorische Kunstprojekte. Vortragende und Moderatorin im Rahmen von Veranstaltungen ÖGFA, AzW, Tanzquartier Wien. 2004 Forschungsprojekt Geschichte der Architekturtheorie in Wien; Austellungs-Kuratorin: Displaying Gender, 2003; Welt.Ausstellen. Schauplatz Wien 1873, Technisches Museum Wien 2004; Architektur beginnt im Kopf. The Making of Architecture. AzW, Wien, 2008; Stadt und Frauen. Eine andere Topographie von Wien, Wienbibliothek Rathaus, 2009.; Neuere Publikationen: Urbanografien. Stadtforschung in Kunst, Architektur und Theorie. 2008; Architektur beginnt im Kopf. The Making of Architecture, Architekturzentrum Wien 2008; The Force is in the Mind. The Making of Architecture, Architekturzentrum Wien 2008; Stadt und Frauen. Eine andere Topographie von Wien, 2008; Going Full Cycle. On the Endangered Particle of Barbara Blasin, in: UrbanFestival 2008, Zagreb 2008; Von der Relationalität der Architektur Add-On: Selbständiges Zubehör, in: Peter Fattinger, Veronika Orso, Michael Rieper (Hg.): addon 20 höhenmeter, Wien Bozen 2008; Unsere Welt in den Augen der Welt. Identität und Authentizität als Frage der Gestaltung im Medium Weltausstellung, in: Matthias Götz (Hg.): Villa Paragone. Ausstellen, Basel 2008; Singularism/globalism: what does architecture want?, in: Yova 2 Young Viennese Architects, 2008; Von Kaorle bis Calypso: im heterotopen Karlsgebiet, in: Am Puls der Stadt – Karlplatz, Ausstellungskatalog des Wien Museums, Wien 2008.